

Quelle: Stephan Grabmeier
Stephan Grabmeier ist seit Januar 2018 Chief Innovation Officer bei der Personal- und Managementberatung Kienbaum und einer der führenden HR-Köpfe in Deutschland. Darüber hinaus ist er selbst Gründer und als Beirat sowie Business Angel aktiv. Er gilt als Vor- und Querdenker zur Zukunft der Arbeit. Wer seine Thesen kennt, weiß warum!
„Digitalisierung erleichtert unser Leben. Und schafft trotz des Wegfalls der Arbeit in einigen Bereichen neue Arbeitsplätze und ein besseres Leben.“
Digitale Transformation ist weitaus mehr als die bloße Weiterentwicklung von Technologie und Software. Das Themenfeld Industrie 4.0, also die nächste Generation der Robotik, und neue Formen der Vernetzung bieten völlig neue Anwendungsmöglichkeiten. Digitale Transformation ist laut Stephan Grabmeier aber nur zu 30% ein technologisches Thema. Zu 70% geht es dabei jedoch um People-Themen. Es stellen sich Fragen wie „Was macht die zunehmende Technologisierung/Automatisierung mit uns als Menschen in unserem Alltag? Wie beeinflusst sie unser Kauf-, Arbeits- und Kommunikationsverhalten?“ – Neue Anforderungen an Arbeitsmethoden und an Führung entstehen. Die Komponente der digitalen Transformation, die unser aller Leben erleichtert, ist die Prozessautomatisierung. Im Umkehrschluss müssen wir natürlich lernen, uns von neuen Technologien nicht völlig vereinnahmen zu lassen, sondern vielmehr „Filter“ zu setzen. Nicht umsonst gibt es digital detox-Seminare. In der Arbeitswelt ist Ambidextrie gefragt: Die Probleme der komplexen Welt, in der wir uns systemtheoretisch befinden, lassen sich nicht länger mit komplizierten Verfahren und Analysemethoden lösen. Kognitive Methoden finden Ergänzung durch intuitive Analysen und humanzentrierte Methoden. Haptische Gestaltungsmethoden können durchaus Vorteile gegenüber digitalen Herangehensweisen besitzen, um neue Lösungen zu entwickeln. Diese müssen dann allerdings in Tools oder digitale Formen überführt werden. „Diese hybride Welt zwischen Haptik, Intuition und Empathie, gepaart mit Digitalisierung – Das ist die Beidhändigkeit, die wir in unserem Alltag brauchen“, sagt Stephan Grabmeier.

Stephan Grabmeier
„Zukünftig erfolgreiche Unternehmen orientieren sich nicht nur an ihren Produkten, sondern zu 100% an den Bedürfnissen und Vorlieben ihrer Kunden.“
Das Geheimnis neuer digitaler Geschäftsmodelle liegt darin, dass sie die tiefen Bedürfnisse ihrer Kunden treffen. Sie sind so erfolgreich und skalieren so gut, weil sie es schaffen, Verhalten ihrer Kunden durch einen Habit Loop nachhaltig zu verändern. Es geht dabei nicht um das Programmieren einer neuen App o.ä., sondern vielmehr darum, etwas Neues aufgrund eines Erlebnisses in das Verhalten der Kunden einzubauen. In Deutschland und Europa wird sich in den Augen von Stephan Grabmeier aktuell zu wenig an den Kundenbedürfnissen orientiert. Innovationen werden häufig von innen heraus angetrieben, Unternehmen meinen besser zu wissen, was ihre Kunden wollen. Für wirklich funktionierende Innovationen sollten Kundenbedürfnisse allerdings viel stärker einbezogen werden. Das ist, so Stephan Grabmeier, eine Frage der Haltung und der Methodik. Die große Herausforderung für Unternehmen besteht darin, das stabile Kerngeschäft zu erkennen und gleichzeitig zu wissen, in welchen Bereichen Disruption bevorsteht.
„Vielfältig und divers zusammengestellte Teams erzielen bessere Ergebnisse als homogene Experten.“
Dass wir alle über unsere Haltung zum Thema Vielfalt nachdenken sollten, ist den meisten von uns bewusst. Aber zusätzlich zur gesellschaftspolitischen Diskussion ist dieses Thema auch im Bereich der digitalen Transformation von Belang. Wir alle bewegen uns in festgefahrenen, gut geübten Verhaltensmustern und machen mit Vorliebe genau das, was wir schon immer gemacht haben. Jeder von uns macht das so – und grundsätzlich ist das nicht verwerflich. Um unsere Zukunft proaktiv zu einer guten und besseren (Arbeits-)Welt zu gestalten, müssen wir mit diesen Mustern jedoch brechen. Jeder einzelne von uns unterliegt gewissen Biases, also kognitiven Verzerrungen, vor denen wir uns nur mit Diversität schützen können. In Gremien müssen, um zukunftsfähig zu werden, diverse Blickwinkel und Standpunkte integriert werden.
„Die wahren Treiber der Zukunft werden Frauen sein und nicht mehr nur Männer aus der Baby-Boomer-Generation, die an ihrem Status und an ihrer Macht festhalten.“
Diversität bedeutet auch die Notwendigkeit der Integration von mehr Frauen in Führungsgremien und Aufsichtsräte. Denn allein durch von Männern dominierte Systeme können wir zukünftig nicht erfolgreich sein. Was wir brauchen, so Stefan Grabmeier, ist ein Musterbruch und die Chance für Frauen, auf relevante Entscheidungen Einfluss nehmen zu können. In Deutschland sind nur 6,3% der Vorstandsmitglieder Frauen. „Das ist ein Armutszeugnis, das darf so nicht sein!“, sagt Stephan Grabmeier. Eine gesetzliche Frauenquote beschreibt er als harten Hebel, der uns allen helfen soll, die geschlossenen und von Männern dominierten Systeme aufzuweichen und so Musterbrüche zu schaffen. Auch der Berufseintritt einer neuen Generation von Männern mit anderem Rollenverständnis und Selbstbild wird helfen, aus den bisherigen Machtzyklen auszubrechen.
„In den meisten Kinderzimmern besteht mehr digitales Verständnis als in vielen Vorständen oder Aufsichtsräten.“
Dass es in vielen Vorständen und Aufsichtsräten an digitalem Verständnis mangelt, mag ursächlich in der Altersstruktur dieser Gremien begründet sein. Die Mitglieder dieser Gremien sind laut Stephan Grabmeier gefordert, zu verstehen, was genau sie nicht begreifen. Anschließend müssen sie in Kontakt treten mit den Vorreitern dieser Themen, mit ihnen reden, eigene Erlebnisse und praktische Erfahrungen sammeln.
„Wenn HR jetzt nicht wirklich Gas gibt, muss man sich ernsthalft nach ihrer Berechtigung fragen.“
HR sollte die digitale Transformation nicht nur unterstützen, sondern aktiv gestalten. Seit vielen Jahren wird ein verändertes Rollenverständnis von HR gefordert. Doch noch immer ist dieser Bereich zu reaktiv und besitzt selbst zu wenig Wissen. Um auf Augenhöhe mit der Unternehmensleitung über die Rolle von HR im ganzen Bereich der digitalen Transformation sprechen zu können, müssen laut Stephan Grabmeier Antworten auf viele verschiedene Fragen gefunden werden: Was treibt meinen CEO? Wie verändert sich das Business und wohin müssen wir uns bewegen? Wie muss mein Portfolio aussehen, damit ich meinem CEO helfen kann, das Unternehmen weiterhin nach vorne zu bringen? Aber HR, so erklärt er weiter, denkt zu viel in Maßnahmen und zu selten im Gesamtkontext und an die Business-Strategie gekoppelt.
Die Zukunft der HR im Hinblick auf die digitale Revolution beschreibt Stephan Grabmeier so: „Die Zukunft liegt darin, dass wir nicht nur über Technologie sprechen, sondern eben über People: Über die Veränderung der Arbeitsweisen, Kommunikation und der Gesamtgestaltung von Unternehmenssteuerung und Führung. Wenn das nicht HR gestaltet, wer soll es denn dann gestalten!?“